Bonuskapitel

Alicia

»Was hältst du von der Idee?« Mit einem siegessicheren Lächeln lehnte ich mich in meinem Sessel zurück und wartete auf Renés Reaktion.

Der achtzigjährige Weingut-Besitzer ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Nachdenklich legte er die Unterarme auf seinem Schreibtisch ab und führte die Fingerspitzen aneinander. René war sicher einmal ein attraktiver Mann gewesen. Noch immer hatte er volles blondes Haar. Seine blauen Augen waren zwar etwas glasig geworden, hatten jedoch ihren aufgeweckten Glanz noch nicht verloren. Seine Eltern hatten ihm einige lukrative Weingüter vererbt, weshalb er vermutlich noch nie finanzielle Engpässe zu spüren bekommen hatte. Dafür hatten zu ausgelassene Partys und Alkohol ihre Spuren auf seiner Haut hinterlassen. Das zumindest hatte ich seinen Erzählungen entnommen, die nie von körperlicher Arbeit, sondern nur von seinen damaligen Frauengeschichten und Feiern handelten.

Vor ziemlich genau einem halben Jahr hatte er mich als Assistentin und Übersetzerin eingestellt, und das, obwohl ich in die Richtung keinerlei Berufserfahrung vorzuweisen hatte. Allein ein paar Zertifikate hatte ich meiner Bewerbung beigelegt. Vermutlich hatte ihn mein schlagfertiges Französisch während des Vorstellungsgesprächs schließlich überzeugt. Seitdem war ich seine rechte Hand und half ihm mittlerweile nicht nur bei Texten für deutsche Kunden, sondern auch bei vielen anderen Belangen.

Zuerst war mir der ältere Mann unsympathisch gewesen und ich hatte mich gefragt, ob dieser Job es wirklich wert gewesen war, bei meiner Schwester auszuziehen und nach Paris zu gehen. Aber mit der Zeit hatte ich mich nicht nur an seine Gegenwart gewöhnt, ich hatte den verschrobenen Kerl mit seiner schrecklichen Leidenschaft fürs Pokern beinahe lieb gewonnen.

Trotzdem war dieser Job noch lange nicht alles, was ich vom Leben wollte. Deshalb hatte ich heute endlich die Chance ergriffen, René ein Projekt vorzuschlagen, das er nicht ablehnen konnte.

»Du wirst mich eines Tages ins Grab bringen, Alicia.«

»Ich biete dir die Chance, deinen Ruf wiederherzustellen, und du tust dabei noch etwas für die Umwelt.« Amüsiert hob ich einen Mundwinkel.

»Okay okay, als hätte ich irgendeine Wahl.« René seufzte etwas zu theatralisch und schenkte sich einen weiteren Wein ein. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich ihn noch nie etwas anderes trinken sehen. Wasser oder Tee schien es in seinem Büro nicht zu geben. Wein stattdessen flaschenweise – in den Schränken, auf dem Tisch und sogar darunter, wie ich vor ein paar Tagen festgestellt hatte.

»Du wirst sehen, es wird sich toll anfühlen, etwas Gutes zu tun.«

»Ich weiß, dass du nicht trinkst, aber es gibt Menschen, die auch den Verkauf von Wein als eine löbliche Tätigkeit betrachten würden.« Er lehnte sich zurück und nippte genussvoll an der roten Flüssigkeit in seinem Glas. »Du hast ja keine Ahnung, was du verpasst.«

Mühsam verkniff ich mir ein Augenrollen. Diese Anspielungen hörte ich nahezu täglich von ihm, doch ich hatte gelernt, sie zu ignorieren.

»Dann sind wir uns einig?«

»Du hast mich überzeugt. Ich werde alles Weitere in die Wege leiten.« René nickte in Richtung der Wanduhr, die dem Schreibtisch gegenüber hing. »Solltest du nicht schon längst unterwegs sein? Dein Freund ist sicher schon gelandet.«

Als hätte er mir mit seinen Worten einen Stromstoß verpasst, sprang ich auf und drehte mich zu der Uhr um. Verdammt, es war schon halb zwei. Wie hatte ich so die Zeit vergessen können?

Mein Projekt, erinnerte ich mich. Immer wenn ich darüber sprach, flossen die Worte nur so aus mir heraus und jegliches Zeitgefühl entglitt mir.

»Du hast recht, ich muss los.« Rasch schnappte ich mir meine Handtasche vom Sessel und rief René noch einen Gruß zu, dann rannte ich aus dem Büro. Zum Flughafen würde ich mindestens eine halbe Stunde brauchen. Ben war bereits vor zwanzig Minuten gelandet. Sicher wartete er schon auf mich.

Der Gedanke daran, ihn endlich wiederzusehen, ließ mein Herz Purzelbäume schlagen. Mein ganzer Körper kribbelte vor Vorfreude. Sechs Monate hatten wir uns nicht gesehen. Sechs verdammte Monate, in denen wir nur über Telefon und Videochat kommunizieren konnten. Seit Wochen hatte ich die Tage gezählt, bis er endlich zurück in Europa sein würde. Zurück bei mir.

Natürlich hätte ich mir gewünscht, bei ihm in Kalifornien leben zu können. Aber dort hatte ich keinen Job gefunden, auch Ausbildungsplätze waren schwer zu bekommen. Also war ich nach reichlicher Überlegung nach Paris gegangen und hatte mir hier ein neues Leben aufgebaut. Mit Minnie und meiner Schwester schrieb ich regelmäßig, hatte aber auch schon neue Freunde gefunden, mit denen ich mich nach der Arbeit oder während der Mittagspause oft zum Essen traf.

Ich mochte das Leben in Paris. Es war völlig anders als in Hannover, irgendwie fühlte sich alles leichter an. Vielleicht lag das auch daran, dass ich all den Ballast meiner Vergangenheit abgelegt und ein neues Leben begonnen hatte. Ein Leben, in dem ich nicht das Anhängsel eines Mannes war, sondern eine selbstbestimmte junge Frau mit Zielen und Träumen. Ich hatte so viele Pläne, dass mein Herz manchmal überquoll vor Emotionen, vor Vorfreude auf all die Dinge, die noch kommen würden. Denn eins hatte ich während der Zeit hier gelernt: Ich konnte alles erreichen, was ich mir wünschte, wenn ich nur hart genug dafür arbeitete.

An der Straße hielt ich ein vorbeifahrendes Taxi an und nannte dem Fahrer völlig außer Atem den Flughafen, an dem Ben wahrscheinlich bereits auf mich wartete. Der Verkehr war um diese Uhrzeit die Hölle und ich hoffte, dass Ben nach dem langen Flug nicht allzu erschöpft war.

Bei unseren Videochats erzählte er mir täglich von seiner Ausbildung. Anfangs war es ihm schwergefallen, dem Stoff zu folgen, weil sein Englisch trotz unserer Übungen eher dürftig gewesen war. Doch er hatte sich durchgekämpft und vor Ort so viel Englisch gesprochen, dass er mittlerweile leicht mitkam.

Außerdem durfte er beinahe täglich fliegen und ich hatte seine Freude darüber sogar durch das Display spüren können. Er schien so vor Energie zu sprühen, wenn wir miteinander sprachen, dass mein Herz aufging. Keine Sekunde hatte ich bereut, ihn in dieser Sache unterstützt zu haben. Klar, wir konnten uns nicht so oft treffen, wie wir es gern hätten, aber ich würde mich immer wieder so entscheiden.

Verträumt blickte ich aus dem Fenster, während sich der Fahrer durch die Pariser Innenstadt schlängelte. Noch immer fühlte es sich wie ein Traum an, wenn ich auf dem Weg nach Hause an der Seine entlangspazierte und aus meinem Schlafzimmerfenster die Spitze des Eiffelturms bewundern konnte. In dem momentan leichten Schneegestöber wirkten die Hausfassaden um uns herum, als hätte man sie aus einem Film hergezaubert. War das wirklich mein Leben?

Nachdem ich mir in den Kopf gesetzt hatte, Übersetzerin zu werden und mein Leben völlig umzukrempeln, hatte ich bereits vermutet, dass es mich eines Tages ins Ausland verschlagen würde. Dass ich allerdings kurze Zeit später in Paris wohnen würde, hätte ich nicht erwartet. Doch nun war ich hier, saß in einem Taxi, das ich selbst bezahlen konnte, genoss täglich das besondere Flair dieser einzigartigen Stadt und fühlte mich dabei freier als je zuvor.

Als das Taxi am Flughafen zum Stehen kam, bezahlte ich den Fahrer und stieg aus. Die Luft war kühl und ich zog meinen Mantel ein Stück höher, als ein Windstoß unter den Stoff fuhr. Manchmal beneidete ich Ben um die warmen Temperaturen in Kalifornien und seine stets gebräunte Haut, und doch würde ich den Dezember in Paris nicht gegen seinen tauschen wollen. Diese gemütliche, besinnliche Atmosphäre, wenn ich in kleinen Gassen mit urigen Läden entlangspazierte, während die Schneeflocken leise auf mich herabschwebten, war mit nichts zu vergleichen.

Umso glücklicher war ich, diese Momente schon bald mit Ben teilen zu können. Er würde über Weihnachten bleiben und auch meine Schwester und meine Mutter würden mich besuchen kommen. Es war perfekt.

Ein wohliges Kribbeln schoss durch meinen Körper, während ich mir meinen Weg an einer Touristengruppe vorbei zum Eingang bahnte. War ich hier richtig? Gerade wollte ich den Kopf heben, um die Nummer über der Tür erkennen zu können, da sah ich ihn.

Mein Herz setzte einen Schlag aus und wie von selbst hoben sich meine Lippen zu einem Lächeln.

Ben sah genauso aus wie bei unserem letzten Videocall. Seine dunklen Locken fielen ihm ins Gesicht und die tiefblauen Augen strahlten mich so fröhlich an, dass Wärme meinen Brustkorb füllte. Seine Haut war gebräunt von der kalifornischen Sonne und instinktiv musste ich an unsere Zeit in der Karibik zurückdenken. An diese besonderen zwölf Tage, die uns zusammengeführt und dafür gesorgt hatten, dass wir uns selbst finden konnten. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich mich gegen die Reise entschieden hätte. Wenn ich Ben nie kennengelernt hätte.

Zum Glück musste ich das nicht herausfinden.

Ohne darüber nachzudenken, lief ich die letzten paar Meter auf ihn zu und warf mich in seine Arme. Seine Umarmung fühlte sich so vertraut an, als wäre er nie weg gewesen.

»Hey.« Bens angenehm raue Stimme zu hören, zu spüren, wie er die Finger an meine Wange legte und sanft darüber strich, ließ Tränen in meine Augen schießen.

»Hey.« Ich lachte, weil ich so unfassbar glücklich war, dass er hier vor mir stand und ich ihn anfassen konnte. Endlich.

Meine Augen scannten sein gesamtes Gesicht, als wollte ich mir jede Regung einprägen. An seinem vollen Mund blieben sie hängen. Und endlich legte ich die Hände auf seine Schultern, zog ihn an mich und presste meine Lippen auf seine.

Auf diesen Kuss hatte ich viel zu lange gewartet und doch war er zu schnell vorbei.

»Du siehst wunderschön aus«, flüsterte Ben nah an meinem Ohr, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten und ein Stück zur Seite getreten waren, damit die Leute ungehindert durch die Tür konnten.

»Du siehst aus, als hättest du mehr Sonne abbekommen als ich.«

Er lachte. »Allerdings bin ich auch noch kein bisschen in Weihnachtsstimmung, dabei ist schon der fünfzehnte Dezember.«

»Das kriegen wir schon hin. Paris ist vermutlich der beste Ort der Welt, um in Weihnachtsstimmung zu kommen.« Ich hakte mich bei ihm unter und gemeinsam stiegen wir in ein Taxi, das uns zu meiner Wohnung bringen würde.

Sobald wir im warmen Auto saßen, drehte Ben sich mit einem erwartungsvollen Blick zu mir um. »Erzähl, was hat René zu deinem Vorschlag gesagt?«

Kurz vor seinem Abflug hatte ich Ben von meinem Plan erzählt. Er war begeistert gewesen. Allerdings befanden wir uns vermutlich beide gerade ohnehin in einer euphorischen Blase, weil wir uns endlich wiedersehen durften. Die ganze Zeit waren unsere Finger miteinander verflochten, als bestünde die Gefahr, dass wir uns wieder verlieren könnten, sobald wir losließen.

»Er fand ihn furchtbar.« Bens entsetztes Gesicht brachte mich zum Lachen. »Allerdings hat er die Genialität meiner Idee eingesehen und schließlich zugestimmt.«

Er stieß einen Siegesschrei aus und hob eine Faust in die Luft. »Das ist der Wahnsinn. Wann gehts los?«

»Eins nach dem anderen. René wird erst einmal alles abklären und sobald er von allen Seiten das Go hat, geht es an die Planungen.« Wenn ich darüber sprach, kribbelte es in meinen Fingerspitzen. Am liebsten hätte ich mich sofort an meine Aufzeichnungen gesetzt und direkt losgearbeitet. Denn was ich René vorgeschlagen hatte, war mein absolutes Herzensprojekt. Das, was ich immer gewollt hatte: Mein eigenes Umweltschutzprojekt.

Ich selbst hatte weder die finanziellen Mittel noch die Kontakte, um ein solches Projekt zu stemmen. René allerdings schon. Und da seine Firma vor einiger Zeit aufgrund von Umweltskandalen negativ aufgefallen war, war das für ihn die ideale Möglichkeit, dies endlich hinter sich zu lassen. Für die Einhaltung von Umweltrichtlinien auf seinen Weinplantagen sorgte ich bereits fleißig. Direkte Investitionen in den Umweltschutz wären allerdings deutlich effektiver, um klarzustellen, dass die skandalösen Zeiten hinter ihm lagen.

»Eigentlich hatte er keine andere Wahl, als mir zuzustimmen. Er wusste, dass ich mir sonst jemand anderen gesucht hätte. Und das wollte er auf keinen Fall.«

»Natürlich hat das auch mit deinem unschlagbaren Verhandlungsgeschick zu tun.« Ben drückte meine Hand, die noch immer in seiner lag, als wären sie eins. Allein diese Verbindung schenkte mir ein solches Gefühl des Vertrauens, dass mein ganzer Körper vor Freude kribbelte.

»Und welche Zukunftspläne hat mein heißer Pilot? Ich habe gehört, das Gespräch mit deinem Ausbildungsleiter lief anders als erwartet?«

Bisher hatte Ben mir nur verraten, dass er einige neue Perspektiven für sich entdeckt hatte. Was genau er damit meinte, hatte er mir in dem kurzen Gespräch gestern Nachmittag kurz vor seinem Flug nicht erklären können.

»Heißer Pilot?« Er hob die Augenbrauen und strich mit dem Finger über die Innenseite meiner Hand. »So hast du mich aber noch nie genannt.«

»Gefällt dir der Name?«

»Welche stehen denn noch zur Auswahl?«

»Bisher ist das der einzige, aber ich denke noch mal darüber nach.« In meinem Bauch kribbelte es. »Aber jetzt erzähl mir von dem Gespräch. Wirst du jetzt doch nicht Pilot, oder was?«

»Nein, nein, Pilot werde ich auf jeden Fall, ganz egal, was passiert, und wenn ich den Mond hinter die Sonne schieben muss. Aber Pilot ist nicht gleich Pilot.«

Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Okay …«

In diesem Moment kamen wir in meiner Straße an und der Fahrer drehte sich bereits zu mir um.

Schnell bezahlte ich die Fahrt und hüpfte anschließend euphorisch aus dem Wagen. Ben folgte mir mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Während er seinen Koffer aus dem Kofferraum hob, lief ich zur Tür und schloss auf. Ich konnte es nicht erwarten, Ben meine Wohnung zu zeigen. Den Ort, der mittlerweile ein echtes Zuhause für mich geworden war.

Hier in Paris fühlte ich mich angekommen, wie ich es in meiner alten Dachgeschosswohnung nie gekonnt hatte. René zahlte mir genug, dass ich mir eine gemütliche Zweizimmerwohnung in einem recht guten Viertel leisten konnte. Doch das war nicht der einzige Grund, warum ich mich so wohlfühlte. Ich liebte mein neues Leben, morgens aufzustehen und zu wissen, dass ich die Dinge tat, die ich immer hatte tun wollen, dass meine Zukunft gefüllt war mit Liebe, Fröhlichkeit und einem erfüllenden Job. Und ich liebte es, dass Ben ein Teil davon war. Obwohl er sich die meiste Zeit kilometerweit von mir entfernt befand und uns nur unsere Videoanrufe blieben, fühlte ich eine Verbindung zu ihm, die ich noch zu keinem anderen Menschen gespürt hatte. Ich vertraute ihm. Und ich wusste, dass er bei mir sein würde, was auch passierte.

Mit einem lauten Seufzen stand Ben schließlich im Treppenhaus und sah die vielen Stockwerke hinauf, die er seinen Koffer hochschleppen musste. Er holte tief Luft. »Zum Glück habe ich Maurice die letzten Wochen ins Fitnessstudio begleitet.«

»Deshalb siehst du so muskulös aus.« Als ich gespielt anerkennend seinen Oberkörper musterte, von dem ich durch den dicken Mantel nicht viel erkennen konnte, mussten wir beide lachen.

Wie sehr ich das vermisst hatte. Mit ihm zu lachen. Bei ihm zu sein.

Am liebsten hätte ich den gesamten Weg nach oben seine Hand gehalten und sie erst wieder losgelassen, wenn er in drei Wochen zurück nach Amerika flog. Aber Ben brauchte beide Hände für seinen Koffer. Also ging ich voraus und öffnete schon mal meine Wohnungstür.

Mit einem stolzen Lächeln beobachtete ich, wie Ben mein kleines Reich betrat. Im Flur blieb er ein wenig außer Atem stehen und blickte sich um.

Die Einrichtung meiner alten Wohnung war mir nie wichtig gewesen. Ein paar Bilder hatte ich lieblos an die Wand gehängt und auch einige Zimmerpflanzen hatte ich mir nach dem Einzug gekauft, doch keine von ihnen hatte überlebt und die Bilder waren mit der Zeit eingestaubt.

Bei dieser Wohnung war das anders. Nach meiner Anreise hatte ich mir viel Zeit genommen, die Räume mit Leben zu füllen. Von meinen ersten Gehältern hatte ich mir Deko-Elemente, stilvolle Bilder und Möbel gekauft, die das Gefühl von Freiheit unterstrichen, das ich an diesem Ort empfand. Ich fühlte diese Wohnung auf eine Art, wie es bei meiner alten nicht möglich gewesen war. Wenn ich nach Hause kam, war da nicht mehr dieses beklemmende Gefühl der Leere, der Einsamkeit, sondern eine Wärme in meiner Brust, eine Ruhe, die mir sagte, dass ich mich entspannen konnte. Denn ich war zu Hause.

»Wow. Ich wusste nicht, dass du so einen guten Geschmack hast.« Ben zwinkerte mir spielerisch zu, bevor er sich einmal um die Achse drehte. Anschließend blickte er mir in die Augen. Und wie jedes Mal, wenn er mich so ansah, machte mein Herz einen kleinen Hüpfer.

»Na danke.« Spielerisch boxte ich ihm gegen den Arm. Dann nahm ich ihm seinen Mantel ab und hing ihn an die Garderobe. »Ich glaube, du hast recht. Deine Arme sind etwas kräftiger als vorher.« Prüfend legte ich die Finger um seinen Oberarm und wippte mit dem Kopf.

Bevor ich meine Beobachtung weiter ausführen konnte, hatte Ben allerdings bereits die Arme um meinen Körper geschlungen und mich an sich gezogen.

Mit einem Mal schlug mein Herz wie wild gegen meinen Brustkorb und ein bekanntes Prickeln fuhr durch meinen Körper. Ben so nah an mir zu spüren, seinen frischen, angenehmen Duft in der Nase zu haben und in seine unendlich tiefen Augen zu blicken, elektrisierte mich geradezu. Nur wenige Zentimeter trennten seine Lippen von meinen und ich hätte alles gegeben, um diese Distanz sofort zu überbrücken und zu vergessen, dass er gerade erst angekommen war. Dass er vermutlich vor Hunger einging und sich erst frisch machen wollte.

Als Bens Gesicht sich meinem näherte, schob ich ihn ein Stück weg, obwohl mein ganzer Körper danach schrie, ihn weitermachen zu lassen. Doch da war noch eine Sache offen.

»Du wolltest mir gerade etwas erzählen.« Ich hob die Augenbrauen und strich eine Locke aus seinem Gesicht.

Ben stöhnte auf, aber innerhalb von Sekunden hatte sich seine Ungeduld in ein wissendes Lächeln verwandelt. »Du weißt ja, dass ich eigentlich vorhatte, zu einer Airline zu gehen und Urlaubsflieger zu fliegen.«

Zögerlich nickte ich. Was hatte er stattdessen vor?

»Allerdings sind die Arbeitszeiten miserabel und der Job häufig recht eintönig. So zumindest habe ich mir das sagen lassen.« Er zog mich ein Stück an sich heran, sodass ich an seiner Brust lehnte und die Wärme seines Körpers an meinem spüren konnte. »Deshalb habe ich mich entschieden, ein unschlagbares Angebot anzunehmen und stattdessen einen Privatjet zu fliegen. Den einer ganz bestimmten Person, um genau zu sein. Einer Person, die du kennst.«

»Irgendein VIP? Keine Ahnung. Sag schon.«

»In einem Jahr, sobald ich meine Ausbildung abgeschlossen habe, fliege ich den Privatjet von René.«

Ich hob die Hand vor den Mund. »Du machst Witze, oder?«

Doch Ben schüttelte den Kopf. In seinen Augen funkelte es wie an dem Tag, als er vor meiner alten Wohnung gestanden und mir eröffnet hatte, dass er mit mir zusammen sein wollte.

Er würde für René arbeiten. Wir würden zusammen in Paris wohnen können. Und er würde bei mir sein. Am liebsten hätte ich laut geschrien vor Freude, aber ich konnte mich gerade noch beherrschen und den Schrei zu einem Quietschen abmildern. Die Wände der alten Wohnung waren dünn.

Sanft schob ich ihn ein Stück zurück. Meine Gedanken überschlugen sich. »Wie ist das passiert? Ich meine, wie kommt es, dass ihr Kontakt hattet?«

»Er hat mir geschrieben, erklärt, wer er ist, und mir den Job angeboten. Ich dachte, du hättest ihn vielleicht auf mich gebracht.«

Mittlerweile pochte mein Herz wie wild in meiner Brust. Hatte René etwa Kontakt mit Ben aufgenommen, nachdem ich ihm von seinen Zukunftsplänen als Pilot berichtet hatte? Hätte er das wirklich für mich getan?

»Das ist der Wahnsinn. Ich weiß nicht …« Doch bevor ich die Emotionen, die in diesem Moment durch mich hindurchschossen, in Worte fassen konnte, gab ich endlich dem Drängen meines Körpers nach und legte meine Lippen auf Bens. Im selben Moment ließ er seine Hände tiefer gleiten, bis sie unter meinem Hintern lagen. Ein wohliges Ziehen schoss direkt in meinen Unterleib.

Leise seufzte ich auf, als Bens Zunge in meinen Mund fuhr, mit meiner spielte und mir damit einen heißen Schauer durch den Körper jagte, der sich in meiner Mitte bündelte. Wie lange hatte ich auf diesen Moment gewartet. Wie sehr hatte ich mich all die Nächte, in denen ich allein in meinem Bett gelegen hatte, danach gesehnt. Nach ihm. Und nach all den Emotionen, die er in mir auslöste.

Er hob mich hoch. Wie von selbst schlangen sich meine Beine um seine Hüften und ich spürte bereits, wie sehr auch er sich über unser Wiedersehen freute.

»Wo ist dein Schlafzimmer?« Bens Stimme klang heiser, sein Blick war belegt, als er seinen Mund von meinem löste und mir in die Augen sah.

Ich deutete auf die Tür hinter ihm. Dann küsste ich ihn wieder, mein Mund schien mit seinem zu verschmelzen und unser Kuss wischte jeden Gedanken aus meinem Kopf.

Erst als mein Rücken sanft auf meinem Bett aufkam, erwachte mein Bewusstsein aus dem Nebel der Lust, der sich darüber gelegt hatte.

Mein ganzer Körper sehnte sich danach, ihn ganz nah an mich zu pressen, ihn überall zu spüren, wo es nur ging. Denn nur dann kroch dieses wohlige Kribbeln durch meinen Brustkorb, nur dann spürte ich dieses Verlangen in meiner Mitte und nur dann empfand ich dieses wunderbare Gefühl der Freiheit in meinem Herzen. Als wäre alles gut, wenn er nur bei mir war.

Wie hatte ich es die ganze Zeit ohne ihn ausgehalten? Wie hatte ich es geschafft, auch nur eine Sekunde ohne dieses Gefühl zu überleben, das er in mir auslöste?

Sanft öffnete Ben die Knöpfe meiner Bluse. Seine Augen schienen mir direkt in die Seele zu blicken. Und es fühlte sich richtig an.

So verdammt richtig wie nichts je zuvor.

Denn Ben war bei mir und auch wenn er in drei Wochen wieder fort war, würde er wiederkommen. Und dann würde er bleiben. Wir würden zusammen sein und gemeinsam das Leben führen, von dem wir immer geträumt hatten.

Ende

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So geht es weiter mit Love to fly ...

Sie kämpft für ihren Traum, er gegen seine Vergangenheit.

Die Absage einer Fluggesellschaft bringt Cleos Traum vom Fliegen ins Wanken. Ein befreundeter Pilot könnte ihr einen Ausbildungsplatz verschaffen, jedoch braucht sie dazu Geld, das sie nicht hat. Da tritt der attraktive Mario überraschend in ihr Leben und bringt nicht nur ihren Herzschlag aus dem Takt, sondern lässt sie auch eine folgenschwere Entscheidung treffen.

Hotelbesitzer und Millionär Mario hat jedoch seine ganz eigenen Probleme, denn vergangene Fehler und längst vergessene Erinnerungen holen ihn ein. In Cleo sieht er zunächst nur eine Spielfigur, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Doch schon bald erkennt er, dass die clevere Frau Gefühle in ihm weckt, die er sich seit Langem verboten hat.

Wie weit würde er gehen, um seine Fehler zu vertuschen? Und was ist sie bereit, für ihren Traumjob zu opfern?

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